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Eine der größten Herausforderungen bei Entwicklung jedes neuen Markennamens liegt in der Überwindung eines Dilemmas. Das besteht darin, dass die Grundregeln der Markenbildung nicht mit den Grundeigenschaften des menschlichen Hirns harmonisieren. Eine der wichtigsten Markenbildungsregeln heißt nämlich „sei anders als die anderen“. Unser Gehirn hingegen wehrt sich zunächst gegen alles, was „anders“ ist. Ein Name, der völlig anders klingt als der seiner Wettbewerber, verwirrt zunächst – erst recht, wenn man den Namen eher in einem anderen Kontext vermutet: also Monster eher bei Geisterbahn als bei einem Job-Portal und Mokka eher bei Kaffee als bei Opel.
Die zweitgrößte Herausforderung ist formaler Natur. Sie lautet: Finde bei circa 50 Mio. Markennamen weltweit einen, der nicht mit älteren Rechten kollidiert. Zwar sind diese 50 Mio. nicht alle in den gleichen Ländern und gleichen Markenklassen unterwegs und es gibt darunter auch Dubletten und nicht-genutzte Marken, trotzdem scheitern sehr viele neue Marken genau daran.
Darüber hinaus gibt es, je nach geplantem Einsatz, zahlreiche weitere Anforderungen, die der Globalisierung und digitalen Transformation der Markenwelten geschuldet sind, sowie zahlreiche Vorschriften in unterschiedlichen Branchen: von der EU-Health-Claim-Verordnung bis zu komplexen Arzneimittelgesetzen.
Der Markenname gewinnt im digitalen Kontext von Suchmaschinen, Vergleichsportalen und Sprachassistenten merklich an Bedeutung gegenüber den anderen darstellenden Markenelementen wie Logo, CD und CI. Auch die Aussprache des Namens wird im Zeitalter von Siri und Alexa wichtiger. Noch relevanter sind aber Bewertungsportale, die eben nicht nach dem Klang eines Namens Produkte vorschlagen, sondern nach anderen – im Zweifel preislichen – Kriterien oder eben Suchmaschinen mit eigenen Algorithmen.
Alle diese Herausforderungen sind lösbar. Gute Lösungen werden aber oftmals Opfer falsch angelegter Marktforschung. Vor allem von Präferenzfragen an die Zielgruppe („Welcher Name passt am besten zu...“) ist dringendst abzuraten – vor allem aus zwei Gründen:
Man stelle sich vor, die Apple-Gründer hätten ihre Zielgruppe gefragt, ob sie ihr Unternehmen nach einem Obst benennen sollen. Oder der Mode-Unternehmer Renzo Rosso hätte eine MaFo mit der Frage „Sollen wir unsere Kleidung nach einem ölhaltigen Treibstoff benennen?“ beauftragt. In diesen Fällen hätte es die Erfolgsmarken Apple und Diesel in der Form wohl nicht gegeben.
Natürlich kann man bestimmte Eigenschaften eines Markennamens mit entsprechenden MaFo-Instrumenten abtesten. Man kann z.B. evaluieren, welche Assoziationen ein Name hervorruft, ob und wie weit man sich ihn merken kann und welche Eigenschaften und Empfindungen ihm zugeschrieben werden.
Aber ob ein Name „passt“, kann man auf diese Weise ebenso wenig klären wie die Frage, ob ein Name per se „gut“ ist. Letzteres lässt sich ohne Markenkontext nicht ermitteln und ist bei unterschiedlichen Zielgruppen unterschiedlich relevant. Und selbst negative Konnotationen, die der Klang eines Namens auslösen kann, müssen nicht zwangsläufig negative Auswirkungen auf den Erfolg einer Marke haben, wie das Beispiel des japanischen Modelabels UNIQLO in Deutschland zeigt.
Die allererste Frage in einem Markenbildungsprozess ist der Sinnhaftigkeit geschuldet. Brauche ich überhaupt einen neuen Namen, und wenn ja, sollte ich die eigene Marke dehnen, eine Markenlizenz erwerben, eine Marke kaufen oder einen neuen Markennamen entwickeln? Das sind strategische und kaufmännische Entscheidungen, die am Anfang getroffen werden müssen.
Es gibt viele erfolgreiche Markennamen, aber es gab bislang keine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte, die für den Erfolg – neben einem guten Produkt – von Belang sind.
Das war der Anlass für mein neues Buch, das anhand konkreter Fälle möglichst alle Erfolgsfaktoren abbildet und erläutert. Darin sind neben dem aktuellen Forschungsstand über die Wirkungsmessung von Namen auch ganz pragmatische Tipps und Tricks, die man bislang in keinem Lehrbuch findet und die auf der Erfahrung von 26 Jahren Markennamenentwicklung beruhen. Z.B. welche Optionen habe ich rein praktisch bei der Ablehnung einer Markenanmeldung oder einem Widerspruch und welche davon versprechen den größten Erfolg?
Wie verorte ich meine Marke kulturell im globalen Wettbewerb? Warum funktioniert Jägermeister trotz Umlaut und Frakturschrift in den USA? Und ist es wichtig, woher die Marke Häagen Dazs stammt und wann macht solch ein Cuckoo-Branding Sinn? Und inwieweit muss ein Markenname semantisch „verstanden“ werden? Diesen spannenden Fragen geht das Buch ebenso nach wie den unterschiedlichen Techniken der Namensbildung und den verschiedenen markenrechtlichen Absicherungsstrategien.
Welchen Beitrag kann eine Marke zur Steigerung des Firmenwertes leisten? Dabei wird auch das Megathema Markenbewertung nicht ausgeklammert, ebenso wie die Themen Niedrigsteuer-Länder für Lizenzeinnahmen, Lizenzschranken und die Bilanzierung intellektueller Vermögenswerte. Letztere Themen können nur angerissen und exemplarisch erörtert werden, zählen aber dazu, wenn es um strategisches Benennungsmarketing geht.
Der benennungsstrategische Ansatz der Markennamenentwicklung sieht Namen immer als Teil der Markensprache eines Unternehmens an. D.h. der Kontext einer bestehenden oder die Grundlagen einer neuen Markensprache schwingen bei jeder Namensentwicklung mit. Erfolgreiche Marken sind immer auch authentische Marken und diese Authentizität beginnt beim Namen und reicht dann über das Wording bis hin zur Tonalität und sprachlichen Markenarchitektur.
Und warum ist das alles so wichtig? An einer Marke kann man bekanntlich vieles ändern: Das Logo, die Farben, die Positionierung, den Claim und in einigen Fällen sogar den Markeninhalt – ändert man aber den Markennamen, vernichtet man den größten Teil der bis dahin getätigten Markeninvestitionen. Manchmal ist das unumgänglich, ärgerlich wäre, wenn es aufgrund vermeidbarer Fehler geschehen muss.
Gebundene Ausgabe, 191 Seiten
1. Auflage, Juli 2020, Haufe Fachbuch Verlag
ISBN: 978-3648145326, € 29,95